Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn einer Kfz-Werkstatt beim Reifenwechsel ein Fehler unterläuft, haftet sie nicht allein für darauf beruhende Schäden, wenn sie den Kunden ordnungsgemäß darauf hingewiesen hatte, dass die Radmuttern nach einer Fahrstrecke von 50 km nachgezogen werden müssen, und der Kunde diesen Hinweis missachtet hat.  

Ein Urteil des LG München II vom 09.04.2020 (Az. 10 O 3894/17) macht wieder einmal deutlich, wie wichtig es nicht nur aus Gründen der Verkehrssicherheit und Schadensprophylaxe, sondern auch aus Haftungsgründen ist, den Kunden nach jedem Reifenwechsel deutlich darauf hinzuweisen, dass nach einer Fahrstrecke von 50 km die Radmuttern nachgezogen werden müssen.  

Sachverhalt:  

Im April 2017 beauftragte ein Kunde eine Werkstatt mit einem Reifenwechsel an seinem Mercedes-Benz C 63 AMG. Auf der Rechnung, per Aushang im Büro und mündlich wurde der Kunde nach dem Reifenwechsel darauf hingewiesen, dass nach einer Fahrstrecke von 50 km die Radmuttern nachzuziehen sind. Das Anbringen eines entsprechenden Aufklebers lehnte der Kunde ab. 3 Tage später, nachdem der Kunde ca. 100 km gefahren war, löste sich während einer Autobahnfahrt das linke Hinterrad an seinem Fahrzeug, was zu einem Unfall führte. Der entstandene Sachschaden in Höhe von ca. 13.000 € wurde von der Vollkaskoversicherung des Kunden übernommen. Von der Werkstatt verlangte der Kunde noch insgesamt rund 25.000 € für die Erstattung der Selbstbeteiligung, Transportkosten, Nutzungsausfall, Kosten für eine neue Felge samt Reifen, Sachverständigenkosten und Wertminderung.  

Entscheidung des Gerichts:  

Das LG München II entschied, dass zwar eine Haftung der Werkstatt besteht, dem Kunden aber nur ein Teil der geltend gemachten Ansprüche zustand und diesem außerdem ein Mitverschulden in Höhe von 30 % anzulasten war.  

Aus den Gründen:  

Die Haftung der Werkstatt begründete das LG damit, dass diese die Radmuttern im Rahmen des vom Kunden beauftragten Reifenwechsels zumindest am linken Hinterrad des Fahrzeugs nicht ausreichend festgezogen bzw. deren Sitz auch nicht ausreichend überprüft hatte, was ursächlich für den späteren Unfallschaden war.  

Da der Kunde den Hinweis, dass die Radschrauben nach 50 km nachzuziehen sind, zwar erhalten, jedoch nicht befolgt hatte, und der Unfall außerdem bei entsprechender Beachtung vermieden worden wäre,  musste sich der Kunde ein Mitverschulden anrechnen lassen. In diesem Zusammenhang betonte das Gericht, dass der eindeutige Hinweis auf der Rechnung auch ausreichend kenntlich gemacht war, weil er sich deutlich sichtbar und eingerückt unterhalb der durchgeführten Arbeiten befand. Das Gericht hatte daher keinen Zweifel daran, dass der Kunde hätte erkennen können und müssen, dass ein Nachziehen der Schrauben erforderlich war. Das Mitverschulden schätze das Gericht vorliegend auf 30 %.  

Ein weiteres Mitverschulden des Kunden dahingehend, dass der Kunde aufgrund des sich lösenden Hinterrades das geänderte Fahrverhalten des Fahrzeugs frühzeitig hätte erkennen können, nahm das Gericht vorliegend nicht an, weil dem Kunden eine entsprechende Reaktion wegen der hohen Geräuschkulisse des Fahrzeugs nicht möglich war.  

Hinsichtlich der geltend gemachten Schäden wies das Gericht u.a. darauf hin, dass der für die Selbstbeteiligung aufgewendete Betrag nur netto verlangt werden kann, weil für diesen keine Umsatzsteuer fällig wird.  

Bezüglich der geltend gemachten Transportkosten hielt das Gericht nur einen Betrag von 0,25 € pro Kilometer für angemessen. Der Zeitaufwand des Geschädigten selbst oder dessen Familienangehörigen sei im Übrigen grundsätzlich nicht erstattungsfähig.  

Eine Nutzungsausfallentschädigung lehnte das Gericht vorliegend ab, weil der Kunde während der Reparaturzeit durchgehend über einen Firmenwagen verfügte, dessen Nutzung ihm auch zumutbar war.  

Auch eine Wertminderung lehnte das Gericht ab. Dies begründete es vorliegend damit, dass es sich bei dem Fahrzeug des Kunden um einen Spezialumbau mit Einzelstückcharakter handelte, für das es keine Vergleichsbasis gebe. Weil derartige Fahrzeuge äußerst selten seien und allein aufgrund ihres Erscheinungsbildes und ihres Spezialumbaus von interessierten Kunden gekauft würden, sei eine Wertminderung in diesem Zusammenhang nicht feststellbar.  

Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Kunden sprach das Gericht dem Kunden letztendlich nur insgesamt 22 % des von diesem geltend gemachten Schadensersatzanspruchs zu.  

Fazit:  

  1. Der Hinweis darauf, dass die Radschrauben nach 50 km nachzuziehen sind, muss eindeutig und für den Kunden erkennbar sein. Er ist z.B. dann ausreichend kenntlich gemacht, wenn er sich deutlich sichtbar und eingerückt unterhalb der durchgeführten Arbeiten auf der Rechnung befindet.  
  2. Auch wenn sich die Werkstatt einer Haftung trotz ordnungsgemäß erteilten Hinweises nicht vollständig entziehen kann, wenn ihr beim Reifenwechsel ein Fehler unterlaufen ist, muss sich der Kunde im Falle der Nichtbeachtung des Hinweises ein Mitverschulden anrechnen lassen. Die Höhe des Mitverschuldens ist abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls.