Der Landesverband informiert

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Frage, ob ein Arbeitgeber bei einem staatlich angeordneten Lockdown die Vergütung weiterzahlen muss, sinngemäß folgendes entschieden:

Ein Arbeitgeber, der seinen Betrieb aufgrund eines staatlich verfügten allgemeinen „Lockdowns“ zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorübergehend schließen muss, trägt für den Schließungszeitraum nicht das Risiko des Arbeitsausfalls. Er ist daher auch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nicht zur Weiterzahlung der Vergütung an seine Beschäftigten verpflichtet.

1. Sachverhalt  

Die beklagte Arbeitgeberin betreibt einen Handel mit Nähmaschinen und Zubehör und unterhält in Bremen eine Filiale. Dort ist die Klägerin seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte im Verkauf tätig. Im April 2020 wurde das Ladengeschäft der Beklagten aufgrund einer pandemiebedingten behördlichen Schließungsanordnung geschlossen. Der Klägerin war es daher nicht möglich, ihrer Tätigkeit bei der Beklagten nachzukommen. Sie erhielt auch keine Vergütung. Als geringfügig Beschäftigte eines Minijobs ohne Sozialversicherungspflicht unterfiel sie zudem nicht den persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeit.

Da die Arbeitgeber das Monatsentgelt für April 2020 trotz Aufforderung der Klägerin nicht zahlte, beschritt letztere den gerichtlichen Weg bis vor das BAG – wobei die Klägerin in den Vorinstanzen noch Erfolg hatte.

2. Begründung des Gerichts

Das BAG hat entschieden, dass der Klägerin für den Monat April 2020 kein Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zusteht, weil ihr aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung die Arbeitsleistung und auch deren Annahme durch die Beklagte unmöglich war.

Ein Arbeitgeber trage nicht das Risiko des Arbeitsausfalls, wenn zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen durch behördliche Anordnung in einem Bundesland die sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert und nahezu flächendeckend alle nicht für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Einrichtungen geschlossen werden.

In derartigen Fällen realisiere sich nicht das in einem bestimmten Betrieb angelegte Betriebsrisiko. Vielmehr resultiere die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung aus dem hoheitlichen Eingriff zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. Hierfür hätten die Arbeitgeber nicht einzustehen und daher seien diese auch nicht zu Entgeltzahlungen verpflichtet.

Es obliege dem Staat, hier gegebenenfalls für einen adäquaten Ausgleich für die finanziellen Nachteile der Beschäftigten zu sorgen, die durch einen solchen hoheitlichen Eingriff entstehen. Dies sei beispielsweise durch einen erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld erfolgt. Der Umstand, dass die Klägerin als geringfügig Beschäftigte nicht davon profitiere, beruhe auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Dies führe aber nicht zur Herleitung einer arbeitsrechtlichen Zahlungspflicht des Arbeitgebers.

3. Fazit

Das BAG-Urteil stellt ausdrücklich klar, dass es dem Staat obliegt, die durch staatliche Lockdowns entstehenden finanziellen Nachteile auszugleichen. Die Bundesarbeitsrichter stellen sich damit erfreulicherweise gegen die Vorinstanzen und andere Landesarbeitsgerichte, die bereits eine Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers in Fällen pandemiebedingter Betriebsschließungen anerkannt hatten.

Mit seinem aktuellen Urteil unterstreicht das BAG zu Recht, dass bei einer bundesweiten Anordnung der Schließung von Betrieben und Unternehmen in Zeiten der Pandemie nicht der einzelne Arbeitgeber in der Pflicht ist, die Vergütung weiter zu gewähren. Für die Betriebe, die für ihre Beschäftigten nicht auf Kurzarbeitergeld zurückgreifen konnten, schafft das Urteil Rechtssicherheit und eine deutliche finanzielle Entlastung. Die Lücken im sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem zu schließen ist nicht Aufgabe des Arbeitgebers, sondern des Gesetzgebers. Ob und wie dies erfolgen wird, bleibt abzuwarten.

Bislang liegt lediglich die Pressemitteilung des BAG vor. Sollten sich aus den ausführlichen Entscheidungsgründen weitere Informationen und Hinweise ergeben, werden wir sie informieren.

Mit freundlichen Grüßen

Viviane v. Aretin
Geschäftsführerin